Ich bin ein potentieller Killer. Also, zumindest nach
Auffassung eines gewissen (meist technologisch nicht immer aktuellen) Menschenschlages,
der sich allzu leicht von reißerischer Berichterstattung über neue Medien
mitreißen lässt und ernsthaft der Meinung ist, dass erstens WoW ein Killerspiel
ist und zweitens Killerspiele aus unbescholtenen Kinderseelen amoklaufende
Dämonen machen.
Wann immer ich etwas derartiges irgendwo sehe oder höre oder
lese bin ich doch sehr über die Naivität dieser Art von Berichterstattung
erstaunt, zumal ich als Kind immer geglaubt habe, dass die Onkel und Tanten von
den Nachrichten immer die absolute Wahrheit sagen würden. Ich selber spiele
kein WoW, aber ein Spiel, das ab 12 Jahren freigegeben ist Killerspiel zu
nennen ist irgendwo doch ein bisschen doof und obendrein schlecht recherchiert.
Aber sehen wir uns doch mal den Aufbau eines typischen reißerischen
Nachrichtenbeitrages, wie ich ihn schon viel zu oft bei viel zu vielen Sendern
gesehen habe an:
1.
Die Sache mit den Betroffenen:
Normalerweise werden nun entweder schockierte
Eltern, angeblich computersüchtige Zwölfjährige, oder vielleicht auch ehemalige
Spielesüchtige vorgestellt. Im Stil eines Nachmittagstrashformates wird die
unglaubliche Lebenssituation dargestellt, das Spiel beherrscht das Leben des
Opfers, zerstört seine sozialen Kontakte, seine Körperhygiene oder sein
Bankkonto, sofern er alt genug ist ein eigenes zu besitzen. Besonders bei
bereits Süchtigen ist das jeweilige Spiel immer und ausschließlich der
alleinige Auslöser und niiieeemals könnten soziale Probleme, persönliche
Erfahrungen oder dergleichen die Ursache für die Entwicklung der Sucht sein.
2.
Die Sache mit den Amokläufern:
Man verstehe mich jetzt nicht falsch, ich
finde derlei Taten schrecklich und es gibt auch keinerlei Rechtfertigung für so
etwas, aber was mich aufregt ist, dass sobald ein Jugendlicher austickt nicht
etwa soziale Missstände, Probleme im Elternhaus oder vielleicht sogar eine
psychische Krankheit als Ursache in Betracht gezogen werden, sondern die Medien
sofort versuchen festzustellen, welche Computerspiele der Jugendliche besessen
hat, egal ob er sie gespielt hat oder nicht. Findet man ein Spiel, das
allgemein als „Killerspiel“ verschrien ist, wie zum Beispiel Counter Strike,
dann ist der Aufruhr und das Geheule
groß. Lächerlich.
Kein Computerspiel der Welt macht aus einem
braven, wohlerzogenen, herzensguten Jugendlichen eine soziopathische
Killermaschine. Das dementsprechend vorgeprägte Menschen vielleicht auch gerne
solche Spiele spielen ist nicht von der Hand zu weisen, aber deswegen die
Spieler vorab zu verteufeln ist Mumpitz und darüber hinaus eine Beleidigung.
Ich bin sicher, dass etliche der Täter auch regelmäßig geduscht, Zeitungen
gelesen oder Klopapier benutzt haben, aber sollte man nun alle Menschen die
dies tun als potentielle Killer sehen? Wohl kaum.
Als Analogum mag hier mal die sogenannte „Macdonald
Triade“ dienen, die hat nichts mit dem goldenen M zu tun, sondern ist eine
Studie die besagt, dass ein Gutteil aller registrierten Serienkiller in der
Geschichte folgende drei Eigenschaften aufweisen: Bettnässen, Pyromanie (Besessenheit
von Feuer) und Tierquälerei. Das bedeutet allerdings nicht, dass die meisten
Bettnässer später einmal Serienkiller werden. Ein Amokläufer kann ein
Computerspieler sein, aber er könnte auch im Schwimmverein, der Blaskapelle
oder dem Internationalen Verein der Tierkotsammler sein, es würde nicht viel
Unterschied ausmachen.
3.
Die Sache mit der Elternverantwortung:
Dies ist etwas, das in den Medien gerne
vergessen wird. Wenn man darüber berichtet, wie viele Jugendliche Killerspiele
spielen würden und man Spiele wie Counterstrike, Call of Duty usw. als Beispiele
genannt, könnte ich in die Tischplatte beißen. Als ich das letzte Mal nachgesehen
habe, waren die meisten gern genannten Spiele erst ab 18 freigegeben.
Jugendliche sind nicht in der Lage dieses Spiel auf legalem Wege selbst zu
erwerben oder zu spielen. Dass es viele Eltern nicht kümmert, was ihr
Augenstern da spielt ist eine Tatsache, aber dafür gibt es ja die USK.
Vielleicht sollten auch Vati und Mutti mal daran denken ihrem 14-Jährigen Fratz
nicht alles zu bezahlen, was er haben möchte, oder sollten daran denken mal
nachzusehen ob das eigene Kind wirklich reif genug ist die Medien zu
konsumieren, die auf dem Schulhof so „cool“ gelten und die zu Weihnachten
gewünscht werden. Es gibt einen Grund, warum manche Dinge ab 16 oder 18 Jahren
freigegeben sind, nämlich weil sie für Jüngere nicht geeignet sind und daher
auch nicht von denen konsumiert werden sollten.
Wenn also erst ein Dreizehnjähriger Spieler
interviewt wird und dann Szenen aus Call of Duty eingespielt werden, dann
sollte man immer daran denken, dass besagtes Kind dieses Spiel erst in 5 Jahren
spielen darf.
4.
Die Sache mit der Wahrheitstreue:
Okay, ich gebe zu, manche Spiele enthalten
wirklich sehr brutale Szenen (ist aber auch nicht schlimmer als die meisten
Horrorfilme), aber manche Medien scheinen in einer Parallelwelt zu leben und
nicht dieselben Spiele zu sehen wie alle anderen. Ich habe schon die
abenteuerlichsten Märchen gehört, die wirklich nur Leute glauben können, die
nie ein solches Spiel auch nur mit dem Arsch angeschaut haben. Zum Beispiel
bekommt man in Counterstrike angeblich Bonuspunkte, wenn man alte Frauen mit
Kinderwägen niederschießt. Wait what?! Für die, die es nicht wissen, in
Counterstrike spielt man ein Mitglied einer Antiterroreinheit. Wenn man dort
alte Frauen mit Kinderwägen sieht, sollte man aufhören zu saufen während man
spielt oder aufhören seine Medikamente zu vergessen.
In Red Dead Redemption, einem Westernspiel
geht es angeblich Frauenfeindlich zu, weil man Frauen die Kehle durchschneiden
kann und dafür angeblich auch noch Punkte bekommt. Gut, man KANN das tun, aber
man bekommt 50 Ehrepunkte abgezogen und es hat auch keinen Einfluss auf die
Spielhandlung.
Das Beste ist aber immer noch, dass man
angeblich in World of Warcraft die Islamisierung von Europa verhindern soll. Da
hab ich erstmal geguckt. WoW ist ein Fantasyspiel. Europa gibt es da nicht und
auch keine Islamisierung oder dergleichen.
Ich will wissen welche Drogen die Medienleute
bei der Recherche genommen haben, das muss echt heftiger Stoff sein. Oo
Und was lernen wir nun daraus? Bitte glaubt nicht alles, was
die Leute im Fernsehen an Meinungen verbreiten, sondern bildet euch eure
eigene, ist besser. Vielleicht sollte ich anmerken, dass ich selbst gerade mal
18 bin und gerne mal Dead Island oder Assassin’s Creed spiele. Und Horrorfilme
mag. Und Heavy Metal höre. Und weiblich bin. Fuck, wenn ich jemals ins Fernsehen komme, dann
halten die mich sicher für Satan. Oder schlimmeres.
P.S.: Kommentare aller Art ausdrücklich erwünscht und
erhofft =)
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